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Frische Luft im Kopf – Ein Kioskbetreiber spricht über Wissen, Wasser und andere Kostbarkeiten

März 4th, 2013 · written by on-site · 1 Kommentar

Gruppenfoto Job ClassEs ist 16.30 Uhr als Priya, Shalini, Laurie, Lukas und ich schwer bepackt auf unserem täglichen Weg zur ADWM-Schule durch Shenbakkam schlendern. Einige unserer Schülerinnen und Schüler laufen uns freudestrahlend entgegen, um uns kürzlich angeschaffte Trinkwasserkanister und Kehrbesen aus den Händen zu reißen und damit zur Schule zu rennen. Heute ist ein besonderer Tag. Unsere Kinder sind aufgeregt, huschen in den Klassenraum und integrieren sich schnell in einen großen Sitzkreis, der sich ausnahmsweise schon ohne unsere Hilfe formiert hat. Es ist ungewöhnlich still. Alle schauen gespannt in die Runde. Dann ergreift Priya, unsere indische Projektleiterin, das Wort, begrüßt unseren Gast und stellt ihn kurz vor. Karthik ist einer unserer Trust-Mitglieder (Anm. d. Red.: Trust entspricht einer Stiftung, gemeint ist unsere indische Partnerorganisation)  und besitzt ein kleines Kiosk um die Ecke der Schule, bei dem viele unserer Mädchen und Jungen regelmäßig Nüsse, Kekse oder indische Karamellbrocken kaufen. Er ist im Rahmen unserer einmal im Monat stattfindenden „Job Class“ zu Besuch, um über seinen schulischen Werdegang zu sprechen sowie unseren Schülerinnen und Schülern berufliche Zukunftsperspektiven aufzuzeigen.

Nach einer ausgiebigen Begrüßung beginnt Karthik zu erzählen. Auf Tamil spricht er davon, dass er die 10. Klasse beendete, seinen Master of Arts in Tamil machte und nach einer kurzen Karriere als Fotograf aus gesundheitlichen Gründen beschloss ein Kiosk in Shenbakkam zu betreiben. Obwohl er sieben Jahre lang Englisch in der Schule lernte, verfügt er nicht über genügend Sprachkenntnisse um mit Laurie, Lukas und mir zu kommunizieren oder gar seine Erfahrungen auf Englisch vorzutragen. Mit diesen Feststellungen übt er Kritik am indischen Bildungssystem, welches vorwiegend auf repetitivem Lernen basiert, und veranschaulicht, dass unser Förderungsangebot die Aussicht auf einen gut bezahlten Job verbessert. Als unsere Schülerinnen und Schüler damit beginnen, im Schneidersitz unruhig  hin und her zu rutschen, fährt Karthik mit einer Geschichte fort. Langsam stellen die Kinder ihre Gespräche wieder ein und richten ihre Aufmerksamkeit auf unseren Gast.

Es waren einmal drei Männer auf einem Boot mitten auf dem Indischen Ozean, die alle in einem anderen Land geboren wurden. Einer erblickte das Licht der Welt in China, der Andere verbrachte seine Kindheit in Japan und der Dritte im Bunde war gebürtiger Inder. Nach einem anstrengenden Tag auf See, trieben sie des nachts auf dem offenen Meer und blickten in den Himmel. Plötzlich tauchte aus dem Nichts ein großer, unbekannter, bedrohlich ausschauender Geist auf. Mit dröhnender Stimme sprach er zu den Dreien: „Was treibt ihr euch des nachts in meinen Gewässern herum? Ihr habt hier nichts zu suchen. Ich werde euch alle töten.“ Dies sagte er so furchterregend, dass die drei aufsprangen und sich in einer Ecke des Bootes zusammenkauerten. Sie flehten den Geist an: „Bitte lass uns in Frieden. Wir haben dir doch gar nichts getan.“ Und der Geist entgegnete: „Ich gebe euch exakt eine Chance, euer Leben zu retten. Eure Aufgabe ist es, etwas Kostbares in die See zu werfen. Wenn ich es schaffe, eure Kostbarkeit aus dem Meer zu holen, werde ich euch töten. Wenn ich aber mit leeren Händen zurückkehre, so sollt ihr am Leben bleiben.“

Den Dreien blieb nichts anderes übrig, als einzuwilligen. So begann der Chinese, die Herausforderung anzunehmen, und warf den goldenen Ring seines Vaters in die ruhige See. Der Geist tauchte unter und nach kurzer Zeit kam er mit dem Ring zurück an die Wasseroberfläche. Er tötete den Chinesen. Als zweites versuchte sich der Japaner. Er hatte lange nachgedacht und eine schwere Schatztruhe an Bord gefunden, die er über die Reling warf. Der Geist reagierte schnell und tauchte auch der Schatztruhe hinterher, fand sie auf dem Meeresgrund und tötete den Japaner.

Zu guter Letzt war der Inder an der Reihe. Er trug kein Gold an seinem Körper und konnte auch auf dem Boot nichts Kostbares finden. Das einzig Kostbare, was er noch besaß, war Trinkwasser. So zögerte er nicht lange und schüttete das Trinkwasser in das salzige Meer. Zum Geist sprach er: „Hol mir mein Trinkwasser wieder zurück. Es ist das Kostbarste, was ich zur Zeit besitze.“ Der Geist schwebte über dem salzigen Meer auf der Suche nach dem Trinkwasser. Er suchte die ganze Nacht und kam schließlich am nächsten Morgen ohne Erfolg zum Boot zurück. So war der Inder der Einzige der drei Männer, der überlebte und zu seiner Familie zurückkehren konnte.

Die ganze Zeit über hatte niemand im Klassenraum auch nur einen Mucks von sich gegeben. Alle Mädchen und Jungen schauen gespannt zu Karthik herüber, der nun seine Deutung der Geschichte darlegt: „Es gibt viele Ausländer, die eine gute Schulbildung genossen, sich ein solides Allgemeinwissen angeeignet haben und ihr Leben gut bestreiten können. Auch ihr seid clever genug, um das zu schaffen. Genau wie euer Landsmann in der Geschichte, seid ihr in der Lage, euren Kopf zu benutzen, Erlerntes umzusetzen und eigene Ideen zu entwickeln. Lehnt euch also nicht zurück, sondern strengt euch an. Nutzt alle Chancen, die euch geboten werden, damit ihr später ein finanziell stabiles Leben führen könnt.“ Alle 32 Schülerinnen und Schüler klatschen Beifall. Ihnen und unseren beiden indischen Lehrerinnen gefällt die Geschichte. Auch Laurie, Lukas und ich applaudieren, obwohl wir die ganze Zeit über nichts verstanden haben, sind wir begeistert, wie aufmerksam unsere Schülerinnen und Schüler zugehört haben. Und auf dem gemeinsamen Weg zurück nach Hause sind diesmal wir diejenigen, die Fragen stellen und wissen wollen, welche Erfahrungen Karthik mit uns geteilt hat.

Ninja Taprogge

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1 Antwort bis jetzt ↓

  • 1 Eifersüchtige Krebse // Mai 4, 2013 at 11:36

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