Warning: Missing argument 2 for wpdb::prepare(), called in /home/w14808/web/public_html/blog/wp-content/plugins/media-library-categories/media-categories.php on line 160 and defined in /home/w14808/web/public_html/blog/wp-includes/wp-db.php on line 1292 „Indien lebt in seinen Dörfern“ (Mahatma Gandhi)
Gyan Shenbakkam School Project e.V. header image 2

Ein Erfahrungsbericht: Indien lebt in seinen Dörfern

Juli 11th, 2013 · written by on-site · Keine Kommentare

OLYMPUS DIGITAL CAMERAVon September 2012 bis März 2013 hat Laurie als Freiwilliger über das „weltwärts“-Programm des BMZ in unserem Schulprojekt in Südindien gearbeitet. Seine Erfahrungen aus dieser Zeit hat er in einem Brief an seine Unterstützer zusammengefasst (im Rahmen des „weltwärts“-Programms baut sich jeder Freiwillige einen Spenderkreis für seinen Einsatz auf). Wir veröffentlichen den Text hier im Blog – ein authentischer Einblick in unser Schulprojekt und den Alltag in Shenbakkam aus Sicht eines Freiwilligen.

Indien ist ein aufstrebendes Schwellenland, das zu den BRIC-Staaten gehört und neben China als asiatisches Schwergewicht gilt. Das Wirtschaftswachstum betrug 2012 5% und dies wurde schon als Krise  bezeichnet. Es gibt eine bedeutende Pharmaindustrie, eine wachsende Autoindustrie, es ist das “Call Centre” der Welt und die großen Städte florieren. Vor kurzem hat Indien seine erste Mondsonde in den Weltraum geschickt. Indien ist die größte Demokratie auf diesem Planeten und es strömen immer mehr Touristen in das einst vor allem durch Armut und koloniale Unterdrückung bekannte Land. Eine der größten Ressourcen Indiens sind die vielen Menschen: über 50% der offiziell 1,2 Milliarden Menschen (Experten vermuten, dass es in den Hunderttausend Dörfern und etlichen Millionenstädten noch ca. 200 Mio. Menschen gibt, die nicht einmal in der Bevölkerungsstatistik aufgenommen wurden und Indien schon jetzt eine größere Einwohnerzahl hat als China) sind unter 25 Jahre. In den nächsten zehn Jahren soll die arbeitende Bevölkerung um 124 Millionen in den nächsten 20 um 229 Millionen steigen. China hingegen wird schon heute von seiner alternden Bevölkerung erdrückt.

Darin liegen allerdings auch schon die Probleme. Trotz des enormen Wachstums ist das Geld im dörflich geprägten Indien schlecht verteilt. Das größte Slum Asiens und 50% der Weltärmsten befinden sich in Indien, während der reichste Mensch Großbritanniens, ein Inder, nicht einmal der reichste Inder ist. In kaum einem Land ist das Geld so schlecht verteilt wie in Indien.
Ein anderes großes Problem ist, dass Indien seine größte Ressource – seine Bevölkerung – nicht ausreichend nutzt, weil die rural lebenden Inder (knapp 70% der Bevölkerung) oft keine ausreichende Bildung erhalten und sich folglich nicht aktiv am Wirtschaftswachstum beteiligen können.

Von September 2012 bis März 2013 habe ich zusammen mit einem anderen Deutschen ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem mittelgroßen Dorf namens Shenbakkam, Tamil Nadu gemacht. Meine Aufgabe war es, den freiwilligen Nachmittagsunterricht für den fünften Jahrgang vorzubereiten, den Schülern simple Computerkenntnisse zu vermitteln und Projekte zu organisieren. Unser erstes Projekt war ein “Science Experiment Day”, an dem wir nach Einladung einer befreundeten indischen NGO teilnehmen durften. Zwei Wochen während der indischen Schulferien lernten wir Experimente mit neun unserer Achtklässler. Jeden Tag trafen wir uns in der Sporthalle der Schule, um die Materialbeschaffung (gefährliche Materialien wie Säuren oder lipophile Lösungsmittel besorgten wir) zu organisieren, den Versuchsaufbau, die Durchführung und die Erklärung zu üben. Am “Science Experiment Day” führten alle Schüler nacheinander ihre Experimente durch.

Als die Ferien für die jüngeren Schüler und der “Science Experiment Day” für die Achtklässler vorbei waren, fing die Schule wieder an. Ich war mit einer indischen Lehrerin, die fünf Jahre älter war als ich, für den sechsten Jahrgang verantwortlich. Obwohl ich zu dem Zeitpunkt noch keine Erfahrung als Lehrer hatte, da ich erst zweieinhalb Monate vorher mein Abitur abgeschlossen hatte, wurde viel Verantwortung auf mich übertragen. Bei unseren wöchentlich stattfindenden Treffen, bei denen wir den Unterricht für die kommende Woche vorbereiteten, ordnete sie sich mir unter, weil nach Tradition nicht-familiäre Beziehungen hierarchisch sind. Ich erklärte ihr, dass in meiner Kultur sachliche Kritik oft geäußert wird, weil man auf diese Weise schnell und lösungsorientiert arbeiten kann und erhoffte mir dabei, dass sie danach ihre Meinung frei sagen würde. Ich probierte, sie immer wieder zu animieren, Ideen mitzuteilen, und fragte sie, ob sie meine Lehrmethoden befürwortete.

Shenbakkam3Das indische Bildungssystem in den Dörfern basiert auf Memorisierung. Da in der Schule nur auswendig gelernt wird, können die Kinder zwar einige Sätze aufsagen, wissen aber nicht, was diese bedeuten. Sie kennen Fakten, aber da sie nicht geschult werden, kreativ zu denken, können sie ihr Wissen nicht anwenden oder analog denken. Während der Kennenlernphase fiel mir auf, dass alle Schüler nacheinander mehrere Sätze aufsagten (in denen sie ihren Namen und ihr Alter verrieten und etwas über ihre Familie sagten) und dabei alle den gleichen Fehler machten. Ein Mädchen sagte anstelle von “I am eleven years old” “I am […] old” und wusste nicht, was sie falsch gemacht hatte, weil sie es so auswendig gelernt hatte. Auch als ich die Uhrzeit übte, wollten viele Schüler alle Uhrzeiten des Tages auswendig lernen anstatt das Prinzip zu verstehen, weil sie es so gewohnt waren.

Wir durften nur nachmittags unterrichten. Uns wurde erzählt, dass der Schuldirektor nicht wollte, dass die Schüler von uns unterrichtet werden, weil er aus einer höheren Kaste stammte als die Schüler. Wir durften nachmittags in der Sporthalle unterrichten, die viel zu klein für 20 Schüler aus drei Klassen und meistens dunkel war, weil es fast immer Stromausfall gab. Dieser war vor allem in der dunkleren Jahreszeit ungünstig, weil es nach 45 Minuten Unterricht draußen dunkel wurde und man in der Sporthalle fast gar nichts mehr sehen konnte. Deswegen war es schwierig, den Kindern moderne westliche, d.h. kreative Lehrmethoden zu vermitteln, weil sie vor unserem Nachmittagsunterricht den ganzen Tag mit altmodischem auswendig lernen beschäftigt waren.

Nach ein paar Wochen fingen meine Assistenzlehrerin Dharani und ich an, Geographieunterricht mit den Schülern zu machen. Ich war gegen trockene Grammatik und dachte, es sei wichtig, dass die Kinder etwas über die verschiedenen Kontinente erfahren. Sie konnten sich nämlich nie vorstellen, wo Deutschland liegt und wie groß die Distanz zu Indien ist. Viele meiner Schüler wussten auch nicht, auf welchem Kontinent Indien liegt und welches die Nachbarstaaten sind. Ich schaffte ein Buch an, in dem alle Kontinente aufgezeichnet waren. In China konnte man auf der Karte die chinesische Mauer, in Indien das Taj Mahal und in Deutschland Autos sehen.

Dharani hatte die Sechstklässler zu Beginn des Schuljahres in zwei Gruppen aufgeteilt, in eine leistungsstarke und eine schwächere Gruppe. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass die stärkeren Schüler den schwächeren die Antworten vorsagten, um die Lehrer zu beeindrucken. Und die schwächeren Schüler verließen sich voll und ganz auf die stärkeren, sodass sie bei vielen Fragen überhaupt nicht selbst überlegten, obwohl sie auf die Lösung kommen könnten. Die stärkeren Schüler verstanden besser Englisch und trieben den Unterricht so voran, dass die schwächeren dem Unterricht gar nicht mehr folgen konnten und ihre Konzentration rasch nachließ. Der Leistungsunterschied war einfach zu groß, als dass die schwächeren Schüler mitgerissen werden konnten. So kam die eine Gruppe montags und dienstags und die andere mittwochs und donnerstags. Freitags kamen alle.

Shenbakkam1Da wir nicht im Schulunterricht eingebunden waren, sondern nur den freiwilligen Nachmitaggsunterricht leiteten, mussten wir den Unterricht so interessant und spielerisch wie möglich gestalten, weil die Kinder ansonsten einfach zu Hause geblieben wären. Beim Geographieunterricht klappten Dharani und ich immer das Buch auf, sodass die Schüler Informationen herausarbeiten konnten. Am Anfang lasen sie einfach nur die einzelnen Länder vor und zeigten auf das Territorium. Dharani und ich hatten in den wöchentlichen Teachers’ Meetings Fragen und Antworten (z.B. What is the biggest country in Asia? In which two countries do the most people live? Which countries have lots of oil? Where is the Statue of Liberty? Where do camels live?) herausgearbeitet und die Schüler mussten anhand der Bilder und Karten im Buch auf die Lösungen kommen. Die Fragen mussten wir imer Wort für Wort vorlesen und ich musste klarer sprechen als ich es je zuvor getan hatte. Schwierige Wörter wie “camel” oder “population” wurden von Dharani übersetzt.  Nachdem wir alle Fakten eines Kontinents aus dem Buch herausgearbeitet hatten, fingen wir an zu puzzlen. Die Karten aus dem Buch waren nämlich gleichzeitig Puzzle, die herausgenommen werden konnten. Die ersten paar Wochen waren alle Kinder hoffnungslose Puzzler, weil sie nicht verstanden, dass Randteile an den Rand gehören. Auch Dharani musste dies erstmal lernen. Die Schüler wurden mit der Zeit jedoch immer besser.

Am Ende der Stunde verteilten wir immer Bögen mit den gesamten Fragen und Antworten, sodass die Schüler nachlesen und lernen konnten. Gegen Ende des zweiten Tages oder in der nächsten Woche fragten wir das Wissen mit einem Text ab. Anfangs war ich erstaunt, dass viele Schüler die meisten Antworten richtig geben konnten, aber dann fiel mir auf, dass die Schüler die Frage und die Antwort Wort für Wort auswendig gelernt hatten und teils nicht wussten, was der auswendig gelernte Satz bedeutete. Ich sprach Dharani darauf an und es stellte sich heraus, dass sie schon lange davon wusste. Ich war traurig, weil ich fand, dass die letzten Wochen Zeitverschwendung gewesen waren. Ich schraubte meine Erwartungen herunter und begann, noch langsamer zu sprechen.

Mehrere Wochen und Kontinente später (in der Zwischenzeit hatte es mein Zwischenseminar und etliche Feiertage gegeben) erfuhr ich von einem Lehrer an der Schule, dass die Kinder ihm vom Geographieunterricht erzählt und ihn mit Allgemeinwissen beeindruckt hatten. Die Kinder hatten zwar nicht alles mitgenommen, aber sie hatten sich ein paar Sachen gemerkt. Dharani und ich waren sehr froh darüber.

Zum neuen Jahr kündigte Dharani und wurde durch Shalini (sie war nur zwei oder drei Jahre älter als ich) ersetzt. Sie zeigte im Unterricht viel mehr Initiative als Dharani und wurde schnell bei den Schülern beliebt, weil sie nie mit Schlägen drohte, als sie die Klasse ruhig kriegen wollte. Auch Shalini ordnete sich mir unter (auch, weil wir den Geographieunterricht von Dharani und mir weiterführten und Geographie nicht ihre Stärke war), aber sie war sehr daran interessiert, zu lernen, öffnete sich immer mehr und sagte mir Bescheid, wenn die Schüler etwas nicht verstanden oder wir etwas anders machen sollten.

Als wir Asien, Afrika, Nordamerika, Südamerika, Europa, Australien & Ozeanien und die Antarktis abgeschlossen hatten, machten wir nochmal ein paar Auffrischungen und setzten einen Test an. Leider hatten nur wenige Schüler die Bögen mit den Fragen und Antworten abgeheftet. Die meisten hatten sie verloren. Ich hatte dummerweise ihre Unterrichtsmaterialien nie kontrolliert und konnte deswegen nicht erwarten, dass sie für den Test geübt hatten. Ich kopierte nochmal die Bögen und ließ sie den Test trotzdem schreiben. Die besseren Schüler hatten sich ein paar Sachen gemerkt, während den leistungsschwächeren auf die Sprünge geholfen werden musste. Da niemand den Test alleine hätte beantworten können, taten sich die Kinder zusammen und beantworten mit ein paar Hinweisen fast alle Fragen. Auch wenn das Resultat hätte besser sein können, waren wir mit dem Unterricht zufrieden, weil wir ihr Interesse für verschiedene Länder und Kontinente geweckt hatten und sie Spaß am Lernen hatten. Es war auf jeden Fall besser als Grammatikunterricht.

Shenbakkam2Shalini und ich dachten, es wäre sinnvoll, den Kindern etwas über Indien beizubringen. Das ist ein riesiges Thema, weil Indien so vielfältig ist, sodass wir uns auf Geographie und moderne Geschichte konzentrierten. Ich besorgte eine riesige Karte und ging die 28 Staaten und ihre Hauptsädte durch. Mit Buntstiften markierten die Schüler die fünf Megastädte (New-Delhi, Mumbai, Kolkata, Chennai, Bangalore), das Himalaya, die Nachbarstaaten, den Ganges, den Indus, den Indischen Ozean, den Golf von Bengalen und die Arabische See. Sie zeichneten Vellore ein, erfuhren über die Unabhängigkeit 1947, Indiens ersten Premierminister Nehru, die Hauptreligionen, die Vegetation und Landschaft (Wüste, Dschungel, Wälder, Hochgebirge, Strände, Flachland), die Bevölkerung, die Sprachen usw. Ich erklärte ihnen Distanzen und als Rhitesh mich fragte, wie viele Kilometer es von Kannyakumari (Südspitze Indiens) bis zum nördlichsten Punkt Kashmirs sind und ich mit 4000 km antwortete, staunten alle und waren froh, in einem so faszinierenden Land zu leben. Indien interessierte die Kinder sehr und sie wollten alle, dass ich Fotos von ihren Karten schieße.

Der Computerunterricht, der für meine Sechstklässler jeden Dienstag von 17.30 Uhr bis 18.30 Uhr stattfinden sollte, konnte erst Mitte Februar, also fünfeinhalb Monate nach meiner Ankunft, beginnen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es in der Schule nie Strom gegeben. Den Computerunterricht leitete ich alleine, weil Shalini sich nicht mit Computern auskannte.

Meine Schüler waren überglücklich als wir mit dem Unterricht anfingen. Als ich die beiden Laptops austeilte, strahlten sie wie Radium und klatschten vor Freude in die Hände. Sie lernten, wie man den Laptop anmacht, das Word-Programm aufruft, Dateien abspeichert und wieder abruft. Sie übten tippen, indem sie Fragen bei Word beantworteten. Als ich ihnen befahl, das Word-Fenster zu schließen, dachten sie, ihre Datei wäre verloren, aber dann verstanden sie, dass sie ihre Datei gespeichert hatten. Beim Tippen mussten sie zuerst lernen, ihre Finger nicht zu lange auf der gleichen Taste zu halten, weil sonst der gleiche Buchstabe auf einmal 20 Mal nacheinander zu sehen sein würde. Außerdem lernten sie, zwei Worte durch eine Leerzeile zu trennen und nicht durch einen Punkt. Ich habe der fünften, sechsten, siebten und achten Klasse E-Mail-Konten eingerichtet. Die nächsten weltwärts-Freiwilligen werden mit den Klassen an den Konten arbeiten. Obwohl trotzdem manchmal Stromausfall war und wir dann plötzlich den Unterricht beenden mussten, hatten wir enormen Spaß im Computerunterricht.

Insgesamt konnten wir ein sehr gutes Verhältnis zu den Kindern aufbauen. Auch wenn wir uns nicht immer verstanden, weil ich kein Tamil spreche, hatten wir viel Spaß. Sie haben mich immer wieder zum Lachen gebracht. Als ich im Geographieunterricht einmal das Taj Mahal erwähnte, fing ein Schüler, Bharani, an, ein Bollywood-Lied namens Taj Mahal zu singen und dabei zu tanzen. Lavanya mockierte sich öfter mal über meinen englischen Akzent. Als ich einmal erklärte, dass die Arktis schmilzt, verstanden sie das Verb “to melt” nicht. Eine Schülerin überlegte:”Melting…like…chocolate?”

Beim Durchnehmen von Südamerika stellte sich heraus, dass die Mädchen im sechsten Jahrgang insgeheim Derek-&-The-Dominoes-Verehrer sind: es hieß nicht ‘Venezuela’ sondern ‘Venesulayla’. Lachen mussten meine Schüler auch, als ich zu einem Mädchen meinte:”Nice dress, Janebe.” Nur um zu hören:”This is my nightie.”

Gruppenfoto Job ClassJeden Freitag gab es besonderen Unterricht. Die indischen Lehrerinnen, die anderen zwei deutschen Freiwilligen und ich organisierten immer etwas Spielerisches. Ein paar Mal gab es Job Class (es kam ein Erwachsener in den Unterricht, stellte seinen Beruf vor und erklärte, warum es wichtig ist, dass er Englisch spricht), zweimal gab es eine Self-Defence Class (hier brachten wir den Schülern bei, wie sie sich verhalten sollten, wenn sie bedroht werden) und es gab eine Music Class. Bei der Music Class dachte ich mir, dass man ausnutzen könnte, dass die Kinder so gut im Auswendiglernen sind. Wir studierten das Lied “My Bonnie” ein und gegen Ende des Schuljahres sangen sie das Lied vor unseren Trustees (Mitglieder des Trusts, der das Schulprojekt trägt – ähnlich einer Stiftung). Außerdem organisierten wir eine Environmental Class, in der wir Themen wie die globale Erderwärmung und Müllentsorgung ansprachen. Wir merkten schnell, dass dieses Thema unseren Schülern sehr schwer fiel. Also organisierte ich ein Spiel, für das ich verschiedenen Müll ansammelte (Biomüll, Batterien, Glasflaschen, Papier, Plastikverpackungen, Plastikflaschen, Bananenschalen, Streichholzschachteln, einen Strohhalm etc.) und mehrere Mülleimer bereitstellte. Die Kinder sollten der Reihe nach den gesamten Müll richtig entsorgen. Fast alle machten nur einen Fehler, sodass ich davon ausging, dass sie das Thema Müllentsorgung verstanden hatten.  Im Nachhinein bemerkte ich, dass dieses Spiel sinnlos war, weil Mülltrennung praktisch gar nicht möglich war. Es gab im Dorf nämlich nur Container, in die alles, von Plastiktüten über Reifen und Glühbirnen zu Kokosnussschalen, hineingeworfen wurde. Am anderen Ende des Dorfs gab es einen Biomüllcontainer, aber ich konnte nicht erwarten, dass die Kinder jedes Mal ans andere Dorfende latschten, nur um den biologisch-abbaubaren Müll zu entsorgen.

Während der längeren Monate betreute ich die jüngeren Schüler bei der Sports Class. Diese fand jeden Montag von 17.30 Uhr bis 18.30 Uhr statt. Wir liefen zur Cricket-Wiese Shenbakkams und spielten ein paar Spiele. Schnell merkte ich, dass sie bei Fußball schnell die Konzentration verloren, weil sie die Regeln und Spielzüge nicht verstanden und Volleyball war für die kleineren Schüler zu schwierig. Irgendwie gelang es mir nicht mal, ihnen Tick beizubringen: Ich habe ein Mädchen angetippt und “it” gesagt und bin schnell weggelaufen. Anstatt mich zu jagen, ist sie auch von mir weggerannt, sodass wir in kürzester Zeit 50 Meter zwischen uns hatten. Auf einmal sind alle Kinder einfach planlos durch die Gegend gesprintet und fanden es sehr witzig. Ich habe noch einmal probiert, ein Mädchen zu fangen, anzutippen und wegzurennen, aber sie fand das so lustig, dass sie stehenblieb, sich hinschmiss und lachte. Ich dachte mir, es sei einfacher, Rennen zu veranstalten und ein bisschen Dauerlauf zu machen. Dies machte ihnen so Spaß, dass wir immer wieder “running races” veranstalteten, bis sie nicht mehr konnten. Wir hatten noch Zeit, ehe wir zurück mussten, also fingen wir an, ein bisschen Musik zu machen, zu tanzen und herumzualbern. Die jüngeren Schüler platzten von dem Zeitpunkt an immer wieder in meinen Unterricht mit der sechsten Klasse, fingen an, auf einem Punkt zu joggen und fragten: “Lorria, running race…when?“

An meinem vorletzten Tag in Shenbakkam war mein Geburtstag, sodass alle meine Schüler und viele mehr mir selbstgebastelte Geschenke überreichten und ein Foto wollten, auf dem zu sehen war, wie sie mir das Geschenk geben. Holi fiel zufällig auf den gleichen Tag, sodass drei andere deutsche Freiwillige und ich abends vor unserem Haus Holi feierten und uns mit Farbe bewarfen. Unsere Nachbarn fragten uns, was wir gerade machen würden. Wir mussten ihnen erklären, dass wir ein nordindisches Fest feiern, weil Holi im Süden nicht gefeiert wird. Sie verstanden sofort und fanden es so witzig, wie wir uns mit Farbe einschmierten, dass sie sich auf die Treppe vor unseren Wohnungseingang stellten und uns mit Wasser bewarfen.

Shenbakkam5Einen Tag später verabschiedete ich mich auch schon aus Shenbakkam und Vellore. Auch wenn Vellore die staubigste und einer der drei heißesten Städte Indiens sein soll, es in Shenbakkam an manchen Tagen mehr Stromausfall als Strom gab, die Abgase der vielen TukTuks die stickige Luft zusätzlich beschmutzte und ich die ersten fünf Monate drei Mal am Tag Reis oder auf Reis basierendes Essen gegessen habe, fühlte ich mich in Shenbakkam doch sehr wohl. Nach jeder Reise freute ich mich auf mein Dorf, Manjula und Prija (unsere indischen Betreuer) und die Kinder. Und natürlich die vielen Erfahrungen (ich war auf jeden Fall der größte Profiteur von meinen sieben Monaten in Shenbakkam), die ich machen konnte. Bessere Voraussetzngen für eine unvergessliche Zeit in Indien hätte Shenbakkam nicht bieten können. Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich ein FSJ in Indien machen durfte.

Laurie Melrose-Doering

Tags: vor Ort · Other posts by

0 Antworten bis jetzt ↓

  • Es gibt keine Kommentare bis jetzt.

Hinterlasse ein Kommentar